Gebieten in Georgien
Interviews: Henning Tappe und Karu Williams
Fotos: Henning Tappe
Zur Aussprache: englische Lautung von, „ch, kh,sh, ei“; q/ Q´entspricht einem geschluckten Explosivlaut
1. Giorgi Metreweli aus Kemerti
interviewt am Montag den 25.08.08 in der Waldorfschule Tbilissi
Weitere Dörfer der Region: Dsartseni, Kheiti, Tamarasheni, Achabeti, Q´urta, Keqwi Qalaanti, Mindienti, Sweri
(nördlich von Zkhinvali)
Karu Williams im Gespräch mit Giorgi Metreweli (rechts)
In meinem Dorf wohnten ca. 300 Familien, in dem Viertel, in dem ich wohnte, ca. 60. Die Bevölkerung bestand teilweise aus Georgiern, teilweise aus eingeheirateten Osseten. In der Nachbarschaft befindet sich das ossetische Dorf Salda. Die älteren Dorfbewohner kennen sich noch, wir jüngeren hatten nie Kontakt untereinander. Auch im ersten Krieg 1991 bis 1993 blieben die Leute in ihren Dörfern und kämpften. Unser Dorf war in den letzten Jahren stets unter Kontrolle der georgischen Patrouillie sowie der georgischen Spezialeinheiten. Seit 2004 sind viele Dorfbewohner durch Schießereien und Minen ums Leben gekommen.Wie der Krieg 2008 für mich begann:
Ungefähr am 2. August wurden Pick-ups in die Luft gesprengt und das Dorf von Posten der Gegenseite beschossen. Nach den ersten Luftangriffen bin ich geflohen. Jetzt stehen, nach Aussage einer Familie, die am 15. August mit Hilfe des Roten Kreuzes nach Tbilissi geflohen ist, noch fünf Häuser. Mein eigenes Haus wurde in diesen Tagen zweimal angezündet.
Woher der Hass stammt? Die Osseten sind Einwanderer, und wir sind die ursprüngliche Bevölkerung. Es gibt ein georgisches Sprichwort: Im Hühnerstall wird kein zweiter Hahn geduldet. Wir sind nicht diejenigen, die nicht zurückschießen, wenn sie beschossen werden.
2. Shota Kareli aus Tqwiawi
interviewt am 25.08.2008 in der Kasbegi Str. 15A in Tbilissi
von Beruf Sammeltaxi-Fahrer:
Ich habe vor dem Krieg als Maschrutka-Fahrer die Route Gori-Zchinwali bedient. An der südossetischen Demarkationslinie endeten meine Fahrten. Obstbauern, Händlern, Frauen und Kindern war der Grenzübertritt nach Zchinwali möglich. Unser großes Dorf namens Tqwiawi, mit ca. 2000 Familien, wurde von Georgiern, Armeniern und einigen Osseten bewohnt.
Die ersten Luftangriffe gegen unser Dorf wurden am 12. oder 13. August geflogen. Zu dieser Zeit hatte sich das georgische Militär bereits zurückgezogen. Nach der Bombardierung besetzte die russische Armee in Begleitung von Freischärlern, unter denen sich Osseten, Kosaken u.a. befanden, das Dorf. Von den Freischärlern wurden etwa 100 Dorfbewohner getötet. Zwei Beispiele wurden mir von geflüchteten Nachbarn erzählt:
Ein 14jähriger Junge blieb bei seiner Großmutter im Hof. Er wurde, trotz seines Alters, von Freischärlern erschossen. Seine Leiche durfte eine Woche lang nicht beerdigt werden. Nach einer Woche haben Nachbarn die Leiche in der Nacht heimlich im Garten begraben.
Zwei Brüder, 70 und 75 Jahre alt, die im Dorf als sehr wohlhabend galten, wurden zu Hause überfallen. Sie öffneten freiwillig die Haustür und ließen die Freischärler alle Wertsachen abtransportieren, ohne sich zu wehren. Dennoch wurden sie beide erschossen. Dies erzählte mir die Ehefrau des einen Bruders, die verschont wurde.
Durch den Bombenangriff wurden ca. zehn Häuser zerstört. Die Freischärler haben später die wohlhabenderen Häuser an den Hauptstraße praktisch sämtlich angezündet; die weniger wohlhabenden Häuser in den Nebenstraßen wurden in der Regel verschont.
Woher der Hass stammt? Den Hass gibt es schon seit den Zeiten von Erekle II. (Ende 18. Jh., der Hrsg.), als die Russen das erste Mal ihren politischen Einfluss auf Georgien geltend machten und Zwietracht zwischen den Völkern säten. Diese Tradition setzten die Kommunisten und insbesondere Stalin fort. Ob die Osseten gegenüber den Georgiern benachteiligt wurden, ist zwischen meinen Freunden und mir umstritten. Für beide Thesen gibt es Belege.
3. Amiran Churukhadze aus Achabeti bei Tamarasheni
interviewt am Dienstag, den 26. 08.08 im ehenmaligen Hauptquartier der russischen Streitkräfte im Kaukasus, Tamarashvili Straße, Tbilissi
In Achabeti lebten 198 Familien , die ausschließlich aus Georgiern bestanden.
Die letzten zwei Jahre, seit Sanarkoev im Amt war, wurden erstmals wieder Straßen in der Region gebaut und für die Infrastruktur gesorgt.
In der Nacht vom 6. auf 7. August erfolgten die ersten Bombenangriffe auf unser Dorf, worauf auch russische Panzer und Truppen ins Dorf einfuhren.
Die georgischen Milizen und Spezialeinheiten hatten sich schon am 6. August zurückgezogen, ohne uns vor bevorstehenden Luftangriffen zu warnen.
Alle 3000 Häuser der Region sind jetzt durch Bomben und Brandstiftung zerstört.
Die Versorgung hier im Haus ist in Ordnung, aber es fehlt an Matratzen.
Wir wissen von etwa 12 Toten aus unserem Dorf und dessen Umgebung.
4. Zira Adulashvili (37) aus Karaleti (heute genau an der Demarkationslinie, wo auch gestern noch Gefangene ausgetauscht wurden)
interviewt am Dienstag, den 26. 08.08 im ehenmaligen Hauptquartier der russischen Streitkräfte im Kaukasus, Tamarashvili Straße, Tbilissi
Beruf: Sanitäterin in Gori
Als am 9. August die Bombardierung Goris begann, war ich im Dienst.
Unser Quartier befand sich direkt neben dem Quartier einer georgischen Panzerbrigade.
Die Panzer wurden bombadiert, wobei unserem Fahrer ein Bein abgerissen wurde und ich eine Gehirnerschütterung erlitt und von Schrapnellen verletzt wurde.
Über den Verbleib unseres Arztes wissen wir nichts.
Unsere Haus in Karaleti ist vollkommen zerbombt.
Ich lebte dort mit meinem Mann und meinen zwei Kindern ( 12 und 14), die heute wohlbehalten hier mit mir in Tbilissi sind.
Meine Eltern sind in Karaleti geblieben.
(Eine andere Frau aus Karaleti mischt sich in Gespräch und erzählt, dass ihr Mann auch noch in Karaleti sei um auf Vieh und Hühner aufzupassen und dieses zu versorgen. Sie trauten sich, aus Angst vor Marodeuren nicht im Haus zu schlafen. Erst gestern sei wieder ein Haus verbrannt worden.)
Heute seien ca noch 100 Dorfbewohner da, da sie Hoffnung auf Rückkehr haben.
In Karaleti lebten Georgier friedlich mit Osseten zusammen, wobei auch viele Familien gemischt sind.
Auch heute sind ossetische Dorfbewohner aus Kareleti hier im Lager.
Das Essen hier ist ausreichend, aber es gibt kaum Matratzen.
Wir sind 1700 Leute hier im Haus wobei es Wasser nur im Parterre gibt und Toiletten nur im Parterre und ersten Stock.
Wer , wie wir, in den oberen Stockwerken lebt, hat große Nachteile bei der Versorgung.
Fotos sind iauf Henning Tappes etwas professionellerem Blog
caucasus-pictures
zu finden
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen